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Unter der Bettdecke oder wie alles begann

„Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt.“ Das ist das Thema der Blogparade von Sarah Menzel-Berger auch bekannt als Technikelfe.

Und ja, ich kann und will es in vollsten Zügen unterstützen und deshalb stelle ich die Frage: Wie viel Glück und wie viel Welt, wie sie uns gefällt erlauben wir uns wirklich?

Ich war noch nicht einmal in der Schule. Es geschah einfach zwischen Kuscheltieren und Puppen, als ich beim Spielen entdeckte, wie gut es sich anfühlte, wenn ich mich selbst berührte. Es war das Nachspielen eines Arztbesuchs, dem Termin beim Urologen, zu dem ich im zarten Kindergartenalter von vier oder fünf Jahren gehen musste. Es waren die immer wiederkehrenden Blaseninfekte, die mich dort hingebracht hatten. Ich erinnere mich tatsächlich nicht an besonders viel, nur an den Stuhl in diesem Raum und, dass dem Bereich zwischen meinen Beinen eine ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Ein Erlebnis, das ich beim Spielen verarbeitete, wenn man das so nennen mag und dabei eine für mich unglaubliche Entdeckung machte.  

Es fühlte sich so gut an. Es war als ob Wärme durch meinen Körper strömte, aus meiner Mitte heraus. Ein Kribbeln als ob Ameisen mich von innen kitzeln. Sprudelbläschen, die mit jedem Kreisen meines Fingers auf dieser ganz besonderen Stelle immer mehr wurden. Ich fühlte mich irgendwie so als ob ich innerlich lachen würde. Ich strahlte.

Es war Glück von innen. Glück aus meiner Mitte, aus mit selbst, mit mir selbst, durch mich selbst.   

Natürlich blieb es nicht bei diesem einen Erleben. Ich machte es immer wieder. Warum denn auch nicht? Oft abends vor dem Einschlafen. So wie auch an dem Abend, als ich bei meinen Großeltern übernachtete und neben meiner Oma im Ehebett lag unter viel zu dicken Federbetten.

Ich werde den Moment nie vergessen, als sie die Decke von mir riss und mir mit entsetztem Stottern und nach Luft ringend deutlich machte, dass es wohl das schlimmste aller Verbrechen war, das ich gerade begangen hatte. Binnen Sekunden lernte ich das ungeschriebene Gesetz. Die Last, die Scham die von Generationen über Generationen aufgebaut und weitergegeben wurde rollte über mich wie eine Lawine. Auf meine kleine Seele. Es war zutiefst Schlecht. Ich war schlecht. Böse: die Ameisen, das Kribbeln, die Bläschen und diese Wärme in mir, zwischen meinen Beinen.

Viele, viele Jahre später, ich war bereits Mutter von zwei Kindern fragte mich mein damaliger Coach, was mich lebendig fühlen lässt. Ich sollte eine Liste aufschreiben. Zehn Punkte, zehn Dinge, die mich, wie man so schön sagt, Flow erleben lassen. Ich schrieb auf: 1. Tanzen. 2. Schreiben. 3. S*..

Hilfe?! Konnte das sein? Durfte das sein?

Unser Termin, das Coachinggespräch rückte näher. Der Moment, in dem ich meine Top Ten an Lebensfreude mit ihm teilen sollte. Zu allem auch noch mit einem Mann!? Mein Gesicht brannte. Ich wusste, dass ich rot war, so rot wie eine Tomate. Herzschlag bis zum Hals:

„Ich fühle mich lebendig, wenn ich tanze, wenn ich schreibe, wenn ich …“ Ich kam ins Stocken. Stotternd druckste ich rum und hätte alles dafür gegeben, wenn sich ein Loch im Boden aufgetan hätte. Jetzt einfach verschwinden. Mich in Luft auflösen! Bitte! Das wäre die Erleichterung gewesen. Er lächelte und sagte: „Du fühlst dich lebendig, wenn du Sex hast?“

Da waren sie die Worte, die in meinem Hals stecken geblieben waren. Ich nickte, holte tief Luft und versuchte es direkt zu relativieren. „Ja, aber…“ ein wahrscheinlich sehr weiblicher Reflex, steckt das binäre Bild der guten und der schlechte, der gefallenen Frau doch viel zu tief in uns allen.

Die Scham, die Angst in mir war so groß, so grundlegend, dass ich mich in Frage stellte, anzweifelte, als Frau, als Mensch, als sinnliches Wesen. Ich war überwältigt von der Peinlichkeit, ein eigenes sexuelles Verlangen zu haben und es zudem auch noch so hoch einzustufen, was Lebendigkeit und Lebensfreude anging.

Ich war so verlegen, dass ich nicht einmal über meine Verlegenheit sprechen konnte, nicht einmal mit mir selbst, im inneren Gespräch. Geschweige denn, dass ich es mit anderen hätte teilen können oder wollen

Es war mein Geheimnis. Es war das womit ich mich ganz allein fühlte, denn es konnte keinen anderen Menschen auf der Welt geben, der sich so fühlte wie ich mich.

Es vergingen weitere Jahre, nicht mehr ganz so viele, aber drei oder vier waren es. Jahre, in denen ich mir sehr viel Zeit für mich selbst nahm, Zeit, meine Wunden zu erkennen. Zeit in der ich begann, sie zu heilen. Zeit, in der ich mich besser kennenlernte, das Tanzen wieder in mein Leben brachte, das Meditieren schätzen lernte und mehr und mehr erlebte, dass nicht alles mit unserem rationalen Verstand nachvollziehbar ist und gelöst werden kann.

Heute, schreibe ich diese Geschichte das erste Mal und blicke zurück auf das, was sich verändert hat, auf das, was ich erkenne. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass das, was in der Sexualität begonnen hat viel weitere Kreise in meinem Leben gezogen hat als es mir je bewusst war.

Die Scham und die nagende Frage, ob ich zu viel bin, zu wenig, zu laut, zu leise, zu was auch immer haben mich immer wieder an Grenzen gebracht, die es im Außen nicht gab, sondern nur in mir selbst.

 „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt … bis ich an meine Grenze stoße, bis ich die Scham spüre.“

Der Radius soll größer werden. Ja natürlich wollen wir alle die Unendlichkeit. Die unendlichen Möglichkeiten, das volle Leben, die volle Lust, die voller Erfüllung. Und, es gibt sie … allerdings erst hinter der Scham. Es ist möglich. Wir müssen sie nur ablegen, verschieben, heilen und peu a peu befreien.

Das ist meine Geschichte, mein Weg, zu mir und in meine Welt, wie sie mir gefällt. In eine Welt, in der ich Gutes, Schönes und Kraftvolles schätze anstatt es mir unterbewusst zu verbieten.

Vor einem guten Jahr habe ich damit begonnen erotische Geschichten zu schreiben und mich mehr und mehr für diese Faszination zu öffnen. (Veröffentlicht ist bisher keine davon … die Scham, weißt du 😉 )
 
Ich begann auch mit anderen Frauen zu sprechen, über ihr Leben, ihre Sexualität und die Scham, die sie empfinden. Allein wenn ich jetzt an die Gespräche denke, die wunderbaren und zutiefst ehrlichen und intimen Gespräche, bekomme ich wieder Gänsehaut.

Sie ist überall. In jeder Geschichte ein bisschen anders und letztlich doch immer gleich. Frauen, die Sex lieben und sich dafür schämen. Frauen, die wenig oder keine Lust empfinden ob temporär oder generell. Frauen, die ihre Weiblichkeit in Frage stellen, weil sie kein Kind zu Welt gebracht haben. Frauen, die zu früh ein Kind bekommen haben. Frauen, die Angst haben, nicht den wahren Wünschen ihres Partners zu entsprechen. Alle, alle schämen sich.

Die Geschichten sind unendlich – berührend, bewegend und verbindend.

Es sind die Geschichten, über die niemand spricht, die wir alle erlebt haben und in uns tragen. Es sind die tiefsten Wünsche, einfach richtig zu sein, lustvoll, weiblich. Blubberbläschen zu spüren, Wärme und Glück von innen nach außen.

Es ist das, was uns davon abhält, unsere Träume zu leben und uns die Welt wahrhaftig so zu machen, wie sie uns gefällt.

Aber es sind auch Geschichten, die Mut machen, die über die Freiheit hinter der Scham sprechen, die zeigen, wie sie ist und wie wir dahinkommen.

Ich weiß, es ist Zeit, darüber zu sprechen. Es ist Zeit für Befreiung durch Wärme, Mitgefühl, Erlaubnis und ganz viel Inspiration. Lust und Verlangen und damit meine ich das Weibliche ist ein Teil der Schönsten Sache der Welt und es ist Zeit, dass wir sie leben und ehren.

Und genau deshalb starte ich mein neues Projekt: Shame Off – lustvoll genau richtig sein. Ein Podcast, ein Blog, viele, viele Ideen und Geschichten, erotische Fantasien und eine große Botschaft: Sei du selbst. Genieße deine Lust. Lebe sie, denn dann bist du lustvoll genau richtig.

2 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Liebe Katja,

    danke für deinen wunderbaren Artikel zu meiner Blogparade!

    Ich bin immer wieder erstaunt wie vielen Frauen es so geht wie dir. Auch wenn ich schon mit sehr vielen Menschen darüber gesprochen habe, kann ich das ehrlich gesagt nicht richtig nachvollziehen, weil ich da ganz andere Erfahrungen gemacht habe. Ich fühle mich mit meiner Sexualität wie ein Fisch im Wasser, schon immer.

    Dafür habe ich Scham in anderen Bereichen meines Lebens, wo sie mich immer wieder überrascht und auch kalt erwischt.

    Ich bin schon sehr neugierig auf deinen Podcast!
    Herzlichst,
    Sara

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